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Monday, December 1, 2014

Trainings-Philosophie: "Organisch"


Hier im zweiten Teil soll es darum gehen, wie die erwähnten Prinzipien von der Einheit von Körper und Geist und wu wei sich auf das Training und auch das Leben außerhalb dessen auswirken kann. So ist z.B. das Trainieren einer Kampfkunst bzw. Kampfsportart mehr als nur physisches Training innerhalb des Dojos, sondern darüber hinaus ein Lebensweg, das heißt die Philosophie, die im Training wirkt trägt der Übende auch im Alltag mit sich (im Idealfall). Dabei ist die Kampfkunst nur eine von vielen Möglichkeiten.

Jigoro Kano
Wu wei, die Idee mitzugehen statt dagegen. Natürlich steckt dahinter noch weitaus mehr als im letzten Artikel über Trainings-Philosophie ("Eine Alternative zur Rocky-Mentalität") erwähnt wurde. Jigoro Kano, der Begründer des Judo (jap. "der sanfte Weg") entwarf diesen Stil nach dem Prinzip von wu wei. Kano war ein Anhänger Laotses, der als einer der Gründerväter des Daoismus gilt. Es heißt der sanfte Weg, da es darum geht so wenig Kraft wie möglich zu verwenden, um den Gegner aus der Balance zu bringen. Um wie im ersten Artikel auf den Bambus als Metapher zurückzukommen: Der Bambus, oder auch die Weide neigen sich nur so weit mit der Schneelast, dass diese abrutscht und kein Problem mehr darstellt, kein bisschen mehr.

Perfekt angewendet kann wu wei im Kampf dazu führen, dass fast(!) keine eigene Yang-Energie (Muskelkraft in diesem Fall) verwendet werden muss, weil die gegebenen Energien (die Wucht des Angreifers oder auch die Schwerkraft) voll genutzt werden. So kann es auch einem Schwächeren möglich sein, stärkere Gegner zu bezwingen:



Natürlich dauert es Jahrzehnte sich solche Fähigkeiten anzueignen, aber jeder, der beginnt kann sich in diese Richtung entwickeln. Wichtig ist dabei, dass wu wei zwar beschrieben werden kann, wie ich das hier tue, aber mit Worten wohl nie ganz erfasst wird. Verstanden hat man es wohl erst, wenn man es tut. Es geht weniger um philosophische Meinungen und Argumente, sondern um Erfahrungen. Wu wei kann überall sein, in der Art wie man spricht, geht und eben auch kämpft, aber solange man darüber spricht, spricht man nur darüber. Deswegen kann das hier auch nicht als Erklärung gelten, sondern höchstens als Anstoß den Weg zu beginnen es zu erfahren.

Auch Sensei Mifune aus dem Video erzwingt nichts (oder sagen wir wenig). Er bewegt sich immer entsprechend seines Gegners und wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die Balance gestört werden kann kostet es ihn kaum Anstrengung. Dahinter steckt kein Plan, oder analytisches Denken, sondern viel mehr ein Gefühl, dass über Jahrzehnte des Übens entstanden ist und von keinem Buch gelehrt werden kann. Er handelt wenn es Zeit ist zu handeln und steht still wenn es Zeit ist still zu stehen. In den Worten von Jim Morrison und The Doors: "Time to live, time to lie. Time to laugh time to die. Take it easy baby, take it as it comes."

Zusammen mit der im ersten Artikel erwähnten Betrachtung von der Einheit von Körper und Geist entsteht eine Auffassung von einer sozusagen "organischen" Art zu leben. Dazu mal wieder Alan Watts: (auch wenn mir der Titel des Videos nicht besonders gut gefällt)



1. "Now, you see, living like this plant, is something spontaneous. In Chinese the word for nature is tzu-jan which means that which happens of itself. Not under any control of an outside boss. And so you stop this spontaneous flowering of nature cold, if you tell it you must do it. It's like saying to someone, you must love me. Well, it's ridiculous. If I were to ask my wife, darling do you really love me and she says I'm trying my best to do so, that's not the answer I want. I want her to say: I can't helpt loving you, I love you so much I could eat you. And that's what the plant feels in growing, it doesn't feel that it must grow, it's not under orders, it's not a military chain of commands. It does this spontaneously, so that when you try to command this spontaneous process, you stop it."
Übersetzung/Mediation aller Zitate siehe unten


"Organisch" bedeutet hier sich im Bewusstsein der erwähnten Einheit nicht gegen alles zu stemmen in dem Versuch es zu kontrollieren. Man lässt Dinge eher passieren als dass man sie erzwingt. Das bedeutet nicht Passivität, wie man am Judo-Beispiel sieht. Es bedeutet nicht, sich nie Mühe zu geben oder anzustrengen. Es bedeutet eher sich entsprechend der aktuellen Situation zu verhalten, ohne Angst, ob das jetzt dem Plan entspricht, oder ob "man" das so macht. So wie die meisten Tiere in bestimmten Situationen instinktiv richtig reagieren ohne vorher darüber nachdenken zu müssen, kann es möglich sein in verschiedenen Lebenslagen adäquat und flüssig, ohne stockendes Nachdenken, zu handeln. So handelt man einfach, wie die Pflanze einfach wächst, ohne sich unnötige Gedanken zu machen, ohne zu 'müssen'. Das heißt nicht keine Gedanken, sondern eben keine unnötigen, die den Fluss stören und vielleicht manchmal tatsächlich keine.

UFC-Kämpfer Rory MacDonald, dem wohl bald ein Titelkampf bevorsteht, war zu Gast beim Joe Rogan Experience Podcast und berichtete auch über seine Herangehensweise ans Training:

2. Joe Rogan: ". . . let's say you have a big fight coming up like your last fight with Tarec Saffiedine and you're concentrating on a guy who's a kickboxer. Do you go more kickboxing heavy?
   MacDonald: "No, not really. I kinda just go with my gut feeling or what I feel like I wanna do at that period of time. Lately I've been doing a lot of Jiu Jitsu. I've just been feeling excited about it, so I follow that excitement." 

Anstatt sich zu bremsen wenn die Begeisterung nicht dem Plan entspricht, geht er dorthin wo es ihn hinzieht. Erstens begeistert ihn MMA so sehr, weil es eben sein Ding ist, dass er sich sowieso für alle Aspekte interessiert und zweitens lernt man schneller und leichter wenn man etwas tut, für das man Begeisterung empfindet. Später erwähnte er noch, dass diese Einstellung sich nicht nur auf das Training beschränkt, sondern sein ganzes Leben betrifft:

3. Joe Rogan: "Do you have like a long term plan?"
   MacDonald: "Just tomorrow. [...] I've always told myself I'm just gonna do it until I don't like [fighting & competing] anymore. That's pretty much how I operate my life [...]. I don't have a plan. I just do whatever is fun and that's it."

Die Einheit wahrnehmend hört man im Training auf sich, also auch den Körper, und geht im Leben generell dahin, wohin es einen zieht. Mit dem eigenen(!) Strom. Damit spart man Energie, die man für das verwenden kann, was einen wirklich bewegt und man hat auch noch mehr Spaß dabei. Auch beim Beispiel Rory MacDonald sprechen die Ergebnisse, d.h. sein Erfolg, meiner Meinung nach wieder für sich. Natürlich ist eine solche Einstellung nicht für jeden die Richtige, aber es geht ja eben genau darum, die beste für sich persönlich zu finden.

Übersetzung/Mediation:

  1. "Leben, wie es diese Pflanze tut ist etwas spontanes. Das Wort für Natur im Chinesischen ist tzu-jan, das bedeutet das, was von sich aus passiert. Nicht unter der Kontrolle von irgendeinem externen Boss. So stoppt man dieses spontane Aufblühen der Natur komplett, wenn man ihm sagt, dass es etwas tun muss. Das ist als würde man zu jemandem sagen, du musst mich lieben. Das ist lächerlich. Würde ich meine Frau fragen, Schatz liebst du mich wirklich und sie antwortet mit 'Ich gebe mein Bestes', dann ist das nicht die Antwort, die ich will. Ich will, dass sie sagt: 'Ich kann nicht anders als dich zu lieben, ich liebe dich so sehr ich könnte dich auffressen. Und das fühlt die Pflanze beim Wachsen, sie fühlt sich nicht als müsste sie wachsen, sie unterliegt keinem Befehl, keiner militärischen Hierarchie. Sie tut es spontan und wenn man versucht diesen spontanen Prozess zu kommandieren, stoppt man ihn." 
  2. Joe Rogan: ". . . Angenommen dir steht ein wichtiger Kampf bevor, wie dein letzter gegen Tarec Saffiedine, bei dem du dich auf jemanden konzentrieren musstest, der Kickboxer ist. Legst du dann im Training mehr Wert auf Kickboxen?" MacDonald: "Nein, eigentlich nicht. Ich folge eher meinem Bauchgefühl bzw. gehe danach worauf ich im Moment Lust habe. Zur Zeit habe ich sehr viel Jiu Jitsu trainiert. Jiu Jitsu begeistert mich eben gerade besonders, also folge ich dieser Begeisterung."
  3. Joe Rogan: "Hast du einen Langzeitplan?" MacDonald: "Es gibt nur morgen. [...] Ich habe mir immer gesagt ich mach das (Kämpfen) bis es mir keinen Spaß mehr macht. So handhabe ich quasi auch mein Leben [...]. Ich hab keinen Plan. Ich mach einfach das, was gerade Spaß macht und das ist alles."

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