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Tuesday, November 11, 2014

Atmen (lassen) mit Yin und Yang


Jeder hat wohl schon mal von Yin und Yang gehört. Dazu stellt man sich meistens etwas vor, das irgendwie mit Gegensätzen zusammenhängt, die aber wohl auch zusammen gehören. Zumindest war das in meinem Fall bis vor kurzem alles, was mir zu Yin und Yang eingefallen wäre. Seit ich angefangen habe mich mehr für den Daoismus zu interessieren, habe ich mich auch mehr mit Yin und Yang beschäftigt, da diese Idee essentiell für die daoistische Philosophie und Weltanschauung ist.* Dazu ein Ausschnitt aus einem Gedicht Laotses: (Übersetzungen aus dem Chinesischen klingen oft merkwürdig, einfach weil es schwierig ist eine Sprache, die so anders ist als unsere angemessen zu übersetzen.)

Wenn auf Erden alle das Schöne als schön erkennen,
so ist dadurch schon das Häßliche gesetzt.
Wenn auf Erden alle das Gute als gut erkennen,
so ist dadurch schon das Nichtgute gesetzt.
Denn Sein und Nichtsein erzeugen einander.
Schwer und Leicht vollenden einander.
Lang und Kurz gestalten einander.
Hoch und Tief verkehren einander.
Stimme und Ton sich vermählen einander.
Vorher und Nachher folgen einander.

Das typische Yin und Yang Symbol
 *Ich behaupte nicht ich hätte bereits die ganze Tragweite des Yin und Yang Prinzips verstanden beziehungsweise verinnerlicht. Diese Idee fasziniert mich aber so sehr, dass ich sie weiter erforschen will und darüber zu schreiben hilft mir bei meinem eigenen Verständnis. Es wird hier natürlich auch nur um einen kleinen Teil der ganzen Weltanschauung gehen, die mit Yin und Yang einher geht.


Laotse spricht hier sehr deutlich vom Yin und Yang Prinzip. Es geht darum, dass es Dinge nur in Abhängigkeit voneinander geben kann. Ohne zu wissen was hässlich ist, kann man unmöglich wissen was schön ist. Man kann nur etwas als gut festlegen, wenn man auch etwas anderes als schlecht festlegt usw. Genauso kann man nur einen Begriff vom Leben haben, wenn man auch einen vom Tod hat. Das bedeutet: gut und schlecht, oben und unten, hell und dunkel sind untrennbar miteinander verbunden. Man kann unmöglich positiv haben ohne negativ zu haben. Wie Alan Watts es ausdrückt: (sinngemäß)

Zu versuchen das Schlechte komplett auszulöschen ist, als würde man mit dem Auto immer nur nach rechts fahren, in der Hoffnung damit links auszulöschen. 

Es kann kein Einatmen geben ohne dass es Ausatmen gibt. Man kann zwar nur einatmen und die Luft anhalten, aber erstens gibt es deswegen trotzdem noch das Ausatmen und zweitens.. erstickt man.  Ein und aus, oben und unten bedingen einander so sehr, dass sie untrennbar sind, egal wie sehr man nach dem einen strebt und das andere zu vermeiden versucht. 

Wenn ich jemandem detailliert erkläre wie genau man etwas nicht tut, erkläre ich damit zwangsläufig auch, wie man es tut. (Das kann man leicht selbst ausprobieren.) Explizit unterscheiden sich die Dinge, die ich sage voneinander wenn ich beschreibe wie man etwas tut bzw. wie man es nicht tut. Implizit  sage ich jedoch das Gleiche. Ich erkläre gleichzeitig wie man etwas tut und wie man es nicht tut. Das eine explizit, das andere implizit. Diese beiden Hinsichten sind untrennbar und zwei Hinsichten der selben Sache. Zwei Seiten der selben Medaille
Dazu Alan Watts:


Video von Sunyata Advaita

"We tremble between alternatives because we are under the illusion that it matters very much which of these two things happens."
sinngemäß übersetzt:  Wir zittern/sind uns unsicher im Angesicht von Alternativen, weil wir uns in der Illusion befinden, dass es eine große Rolle spielt welches von diesen zwei Dingen passiert.
"Now, once one has seen the nature of the game, you realize that it matters superficially which of these two things happens, but it doesn't fundamentally matter, because all negative things pair with positives. There is no positive without negative and there is no negative without positive." 
sinngemäß übersetzt: Sobald man die Natur der Sache (dieses Spiels) erkannt hat, erkennt man, dass es zwar oberflächlich eine Rolle spielt welches dieser zwei Dinge passiert, dass es aber grundsätzlich betrachtet keine Rolle spielt, da alle negativen Dinge mit positiven zusammengehören. Es gibt nichts Positives ohne etwas Negatives und nichts Negatives ohne etwas Positives.


Das heißt natürlich nicht, dass uns immer egal ist, was passiert oder was wir als nächstes tun. Wenn man aber wirklich erkennt, dass positiv und negativ untrennbar sind, zwei Hinsichten derselben Sache, vielleicht nimmt es uns dann etwas von der Unruhe und Angst, die wir vor vielen alltäglichen Entscheidungen erleben. Deswegen: Atmen (lassen).

Eines Tages lief einem Bauern ein Pferd davon. Am Abend desselben Tages versammelten sich die Nachbarn bei ihm, um ihm ihr Mitleid auszusprechen über dieses große Unglück. Der Bauer sagte: "Mag sein." Am nächsten Tag kam das Pferd mit noch sechs weiteren wilden Pferden wieder zurück. Die Nachbarn kamen wieder und freuten sich über sein großes Glück. Der Bauer sagte: "Mag sein." Am folgenden Tag versuchte der Sohn des Bauern eines der wilden Pferde zu satteln und zuzureiten, fiel und brach sich ein Bein. Wieder kamen die Nachbarn, um ihr Mitleid auszusprechen und wieder antwortete der Bauer: "Mag sein." Einen Tag darauf kamen Soldaten zum Dorf, um junge Männer für den Wehrdienst einzuziehen. Mit gebrochenem Bein konnte der Sohn des Bauern jedoch nicht gebraucht werden und wurde nicht eingezogen. Die Nachbarn kamen wieder, um ihre Freude darüber auszudrücken, dass sich ja doch alles zum Guten gewandt hatte. "Mag sein." *
*Es handelt sich hierbei um eine taoistische Geschichte, die auch Alan Watts in seinem Buch über das Tao aufgreift.

Die Geschichte zeigt (natürlich leicht übertrieben), wie man sich einiges an unnötigen Sorgen und Stress sparen kann, indem man sich vergegenwärtigt, dass es Ebbe nur mit Flut geben kann. Was kommt muss auch gehen und umgekehrt. So wie wir atmen, atmet die Welt, atmet das Leben (denn wir sind Teil davon). Zu versuchen, dieses Kommen und Gehen zu vermeiden ist den Atem anzuhalten. Das "lassen" steht in Klammern, denn selbst wenn ich versuche nur einzuatmen und nie auszuatmen, die Flut nach der Ebbe zurückzuhalten, das Schlechte immer zu vermeiden, so gibt es all diese Dinge trotzdem. Egal, ob wir sie "lassen". Wir können uns lediglich entscheiden, ob wir uns dagegen stemmen, oder mitgehen.

". . . the art of life is more like navigation than warfare, for what is important is to understand the winds, the tides, the currents, the seasons, and the principles of growth and decay, so that one's actions may use them and not fight them." - Alan Watts in seinem Buch Tao - The Watercourse Way
sinngemäß: Die Kunst des Lebens ist eher wie Navigation als wie Krieg, denn das Wichtige ist, dass man die Winde, die Gezeiten, die Strömungen, die Jahreszeiten und die Prinzipien von Wachstum und Zerfall kennt, sodass die eigenen Handlungen sie nutzen können und sie nicht bekämpfen.

Zum Abschluss ein Lied, dass das ziemlich gut trifft:

Video von hier


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