Alan Watts hat Veränderung mal als ein Synonym für das Leben bezeichnet. Denn wenn etwas sich nicht mehr verändert, sich nicht mehr bewegt, dann ist es tot. Bewegung ist Veränderung. Nichts bleibt für immer wie es ist, wie Heraklit es nannte: "Alles fließt." Es scheint in der Natur der Realität zu liegen dynamisch zu sein und nicht statisch. Alles bewegt sich, wächst, zerfällt, gewinnt, verliert, atmet ein und atmet aus. Es ist ein auf und ab das oft schwer zu akzeptieren ist. Wir als Menschen scheinen dazu veranlagt zu sein zu wollen, dass die Dinge von Dauer sind. Wir wollen, dass es so bleibt wie es ist. Veränderung führt zu Unsicherheit wohingegen Monotonie uns ein familiäres Gefühl von Sicherheit geben kann. Diese Anforderungen sind jedoch unrealistisch, denn die Realität funktioniert so nicht.* Betrachtet man sie genauer wird dies oft bestätigt: Die Bewegungen von Wellen, Gezeiten, Leben und Tod verweisen alle auf eine vergängliche Welt. Man könnte zwar darüber streiten, ob all dies nicht nur Teil eines großen, sich immer wiederholenden Kreislaufes ist, aber es scheint unbestreitbar, dass die meisten Dinge vergehen, oder zumindest nicht in ihrer aktuellen Form erhalten bleiben.
*Ich könnte in die meisten Sätze hier sowas wie "manchmal", "nicht immer" und "es scheint so" einfügen, denn positiv formulierte Sätze über die 'tatsächliche' Realität zu formulieren halte ich für schwierig. Trotzdem werde ich diese Ausdrück nicht übermäßig oft benutzen. Man kann sie sich aber meistens dazu denken.
Als einer der Hauptgründe für Dukkha, Leiden, im Buddhismus, gilt das Nicht-Akzeptieren der Vergänglichkeit der Welt und aller Dinge. Und wie könnten wir? Sobald uns etwas begegnet, das wir mögen oder sogar lieben wollen wir es für immer festhalten, wollen, dass es uns auf ewig erhalten bleibt, verständlicher- und menschlicherweise. Dennoch ist es die gleiche Situation, in der sich das kleine Mädchen befindet, das ihr neues Haustier voller Freude und Liebe etwas zu fest drückt..* So verringern wir die Lebendigkeit unserer eigenen Leben damit, dass wir versuchen an den Dingen festzuhalten. Trotzdem bleibt jeder Widerstand zwecklos. Klingt alles nicht besonders gut, oder? Wenn man den Versuch etwas vergängliches zu etwas unvergänglichem zu machen als 'dagegen gehen' bezeichnet, dann müsste es doch auch eine Möglichkeit geben 'mitzugehen', zumindest zu einem bestimmten Grad. Außerdem, wollen wir wirklich, dass die Dinge, selbst die angenehmen, so bleiben wie sie sind, oder kommt es uns nur so vor?
*Analogie von Alan Watts
Im Einklang mit der Natur zu leben ist ein wichtiges Thema in den frühen Schriften des Daoismus. Chuang Tzu (oder auch Zhuangzi) gilt als einer der Begründer des Daoismus und im gleichnamigen Buch (The Book of Chuang Tzu oder Zhuangzi) finden sich mehrere Anekdoten, die dieses Thema aufgreifen. Darüber hinaus beschreibt auch Henry David Thoreau, z.B. in seinem Buch Walden, eine besondere Betrachtung des Lebens, die viele Paralellen zum Daoismus aufweist. An diesen beiden werden wir uns jetzt orientieren, um näher daran zu kommen, diese Idee vom Leben im Einklang zu verstehen.
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Henry David Thoreau |
In Walden beschreibt Thoreau wie er zwei Jahre lang allein im Wald in der Nähe seines Heimatortes lebte. Wie das Zitat zeigt, war die Natur für ihn etwas Heiliges und z.B. das Baden im See galt ihm als eine religiöse Handlung. Als der Tag begann begann er seinen Tag. Thoreau scheint der Richtige für dieses Thema zu sein, da er selbst mit und in der Natur lebte (zumindest für eine Weile). "Grow wild according to thy nature."*, heißt es in seinem Buch. Ohne von der Tendenz zur Monotonie eingeschränkt zu sein, entfalte dich frei und in fließender Veränderung entsprechend deiner Natur. So wie die Bäume in der Wildnis sich mit den Jahreszeiten ändern, so ändern auch wir uns als Teil von all dem.
*'Wachse wild entsprechend deiner Natur'
Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder im Wald leben und Bäume verehren muss..Dennoch wird man, wenn man so lange unmittelbar in der Natur lebt täglich mit der Vergänglichkeit der Dinge, mit 'Stirb und Werde'* konfrontiert. Sieht man das Tag um Tag klar vor sich, so könnte es dazu führen, dass wir uns selbst als Teil dieses Kreislaufes deutlicher erkennen und eher akzeptieren. So werden wir daran erinnert nicht immer so starr und stur zu sein, denn Widerstand ist hier oft zwecklos und kostet nur unnötige Energie. Weiter zu Chuang Tzu.
*Und solang du das nicht hast, Dieses: Stirb und Werde! Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde. - Goethe
Beim Betreten des Waldes bewegt er keinen Grashalm. Beim Betreten des Wassers entsteht keine Welle.* Weil er im Einklang ist, stört er nicht. So handelt er passend in jeder (oder zumindest in vielen) Situationen, dem Lauf der Dinge folgend. So etwas kann wohl nicht gelehrt oder durch reines Denken erreicht werden, sondern muss viel mehr erfahren werden. Anstatt einem festen Plan zu folgen, reagiert man frei auf alles was kommt. Ähnlich wie im Kampfsport, wo man gezwungen ist spontan adäquat zu reagieren, weil man nie weiß was tatsächlich kommen wird, ein Tritt, ein Schlag, oder etwas komplett anderes. Die sich ständig verändernde Realität akzeptieren ist hier der entscheidende Punkt, um schneller richtig reagieren zu können, anstatt die Energie dafür zu verschwenden die Veränderung aufhalten zu wollen. Chuang Tzu erzählt die Geschichte von einem Betrunkenen, der aus einer fahrenden Kutsche fällt. Da er sich der Gefahr nicht bewusst ist bleibt er komplett entspannt und lässt sich** automatisch richtig reagieren. So überlebt er. Anstatt voller Angst und folglich Anspannung zu versuchen den Fall noch zu verhindern, reagiert er entsprechend der Situation und 'geht mit'. Wäre er nüchtern (hier passenderweise als sehr 'rational' zu verstehen) gewesen, hätte er vielleicht nicht überlebt..
*Eigentlich ist das ein Spruch aus dem Zen-Buddhismus, aber da der Zen-Buddhismus aus dem Mahayana Buddhismus und dem Taoismus entstanden ist bezieht er sich wohl auf ähnliche Ideen und passt hier ebenfalls.
** 'er' und 'sich' bezieht sich dabei immer auf den kompletten Organismus, d.h. Körper und Geist, deren Einheit damit deutlicher gemacht werden soll als das im normalen Sprachgebrauch üblich ist.
*'Wachse wild entsprechend deiner Natur'
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Walden Pond: hier lebte Thoreau |
Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder im Wald leben und Bäume verehren muss..Dennoch wird man, wenn man so lange unmittelbar in der Natur lebt täglich mit der Vergänglichkeit der Dinge, mit 'Stirb und Werde'* konfrontiert. Sieht man das Tag um Tag klar vor sich, so könnte es dazu führen, dass wir uns selbst als Teil dieses Kreislaufes deutlicher erkennen und eher akzeptieren. So werden wir daran erinnert nicht immer so starr und stur zu sein, denn Widerstand ist hier oft zwecklos und kostet nur unnötige Energie. Weiter zu Chuang Tzu.
*Und solang du das nicht hast, Dieses: Stirb und Werde! Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde. - Goethe
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Chuang Tzu und..ein Frosch |
*Eigentlich ist das ein Spruch aus dem Zen-Buddhismus, aber da der Zen-Buddhismus aus dem Mahayana Buddhismus und dem Taoismus entstanden ist bezieht er sich wohl auf ähnliche Ideen und passt hier ebenfalls.
** 'er' und 'sich' bezieht sich dabei immer auf den kompletten Organismus, d.h. Körper und Geist, deren Einheit damit deutlicher gemacht werden soll als das im normalen Sprachgebrauch üblich ist.
Zurück zu Thoreau. Das oben genannte Zitat wird so fortgeführt: "Let the thunder rumble."* Versuch nicht länger (bzw. immer) die Welt dazu zu bringen deinen Plänen und Vorstellungen zu entsprechen, sondern reagiere frei auf das was kommt. Lass los. Natürliche Bewegung (sei es geistige, also Denken, oder körperliche) ist folglich ständige Veränderung entsprechend der 'Natur', d.h. unserer Umgebung, die sich selbst ständig ändert, da sie ein Prozess ist. John Kavanagh, Trainer und erfolgreicher Kampfkünstler, bezieht sich oft auf diese Aussage: Higher conciousness through Martial Arts. Also erweitertes/höheres Bewusstsein durch Kampfkunst bzw. -sport. Kampfsport kann eine gute Möglichkeit dafür sein, da man gezwungen ist sich ständig anzupassen und richtig zu reagieren, wenn man überleben will (dramatisch ausgedrückt). Aber natürlich ist Kampfsport nicht die einzige Möglichkeit die erwähnten Erkenntnisse zu realisieren. Thoreaus Weg zum Beispiel war der durch den Wald. Daher mein Vorschlag: Höheres Bewusstsein durch Bewegung, 'Natürliche Bewegung'. Um sich aber frei mit den Dingen bewegen zu können scheint ein bestimmter Grad an Kraft nötig zu sein, sowohl mentale als auch körperliche. Mit mentaler Kraft meine ich aber nicht sowas wie Disziplin, sondern das, was widerhallt wenn Nietzsche spricht: Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit! Vielleicht passt also der Begriff Sprengkraft besser. Weiter spricht Mixed-Martial-Arts-Kämpfer Conor McGregor im Fightland-Titleshots-Video davon, dass er nicht einmal mehr ein 'Mixed-Martial-Artist' ist, sondern ein Meister der Bewegung (Master of Movement). Damit geht die Einstellung über den Kampfsport hinaus und spiegelt sich im gesamten Leben wider. 'Natürliche Bewegung' heißt freie Bewegung, heißt mitgehen, heißt im Einklang sein. Frei und dynamisch, nicht stur und statisch.
*"Lass den Donner grollen"
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